Es windet sich die Seele
unter einer schweren Last.
Beklagt, was ihr so fehle,
nämlich lange, lange Rast.
WINDUNGEN
Es ist wie in Trance. Und ich muss zugeben, dass
eher melancholische und oft auch depressive
Stimmungslagen mich in diese hinweggleitende
Trance drängt.
Ich ergebe ich mich, setze den Stift auf die Fläche und
beginne an einem eher willkürlichen Punkt, mäandere
über die Fläche. Die Linie füllt mit schlängelnden
Windungen, mal eng aneinander geschmiegt, mal
weiter ausholend, Lücken lassend, die gesamte
Fläche. Und fast schon karthatisch beende ich den
Prozess genau an dem Punkt, wo ich die Zeichnung
begann.
Das Ergebnis ist eine einzige geschlossene Form.
Eine durchaus, nein:überaus komplexe Form deren
Anfang und Ende sich im Nachgang nicht mehr
erschließt. Und letztlich ist die Form in ihrer
Komplexität nicht mehr als Form erkennbar. Nur unter
größter Anstrengung mag es vielleicht noch gelingen,
festzustellen, was Form und was Hintergrund ist.
Letztendlich ist dies aber eher kopfgesteuert, ein
Versuch der Demaskierung dessen, was sich direkt
offenbart: eine Zeichnung, die sich durch hellere und
dunklere, offenere und dichtere Windungen,
Auslassungen und im Prozess dankbar
angenommenen groberen Strukturen ergeben hat.
Eine Manifestation von Stimmungsschwankungen, von
arthritischen Krämpfen in den Fingern und vom „flow“.
Als Ganzes zeigt sich dies nicht als erkennbare Figur,
stattdessen ergibt nur das wechselhafte Spiel der
benachbarten engen Strukturen Teil-Figuren, die der
Interpretationslust des Betrachters genügend Anlass
geben, dem Zeichner diverse Absichten zu
unterstellen. Und dies sei nicht nur gegönnt, sondern
ist vielmehr auch eine helle Freude für mich.